Im Gespräch: Ege Carpets x Pia A. Döll

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Pia A. Döll ist viel unterwegs – immer im Einsatz der Innenarchitektur: Nach vier Jahren als Präsidentin des bdia (2019-2023), welcher bereits vier Jahre als Vize-Präsidentin (2015-2019) vorausgingen, ist für das nächste Jahr wieder mehr Kapazität für ihr Innenarchitekturbüro in Frankfurt eingeplant. Zuvor war allerdings noch Zeit, Ege Carpets am – noch recht frisch bezogenen – neuen Firmenstandort in Bielefeld zu besuchen. Im Gespräch mit Geschäftsführer Matthias Quinkert (Ege Carpets GmbH) fanden Anekdoten ebenso wie Visionen ihren Platz – verbunden durch eine geteilte Haltung: der ewigen Liebe zur Innenarchitektur


Liebe Pia, lieber Matthias, wo haben sich eure Wege das erste Mal gekreuzt? 

PD: Ich erinnere noch gut, das war im Rahmen des INsider Awards 2015 – am Lago d’Iseo in der Lombardei. Und danach habe ich es sehr bereut, dass ich später nicht zur temporären Installation von Christo an den Lago gefahren bin.

MQ: Das war ein INsider voller Regen, daran erinnere ich mich noch gut.

PD: Echt? Ich habe den nur in bester Erinnerung.

MQ: Der war auch super, aber es war unheimlich kühl und regnerisch. Ansonsten natürlich ein fantastisches Event!

PD: Was mich am meisten beeindruckt hat: das Durchhaltevermögen von dir und Thomas Trenkamp. Da habe ich gedacht: Wow, es gibt noch mehr Menschen wie mich! (lacht)

MQ: Auf jeden Fall! Ich erinnere mich auch noch gut, wie wir mit den Piaggios um den See gefahren sind. Es war – wie auch in den Jahren davor und danach – einfach wieder eine besondere und tolle Zeit.

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 Kennen sich schon seit Jahren: Pia A. Döll und Matthias Quinkert

Welche Relevanz haben Wettbewerbe wie der INsider für die Innenarchitektur?

PD: Ich finde, dieser Preis hat eine wirklich hohe Relevanz – denn: Es gibt eigentlich nur sehr wenige Preise in der Innenarchitektur. Von daher ist der INsider, der nicht nur ein Projekt, sondern tatsächlich eher Lebenserfahrung und -einstellung bepreist, von echter Bedeutung. Einfach eine ganz andere Art der Auszeichnung. Und, was ich toll finde und was auch immer wertgeschätzt wird, ist, dass die Kolleg*innen sich gegenseitig beurteilen. Eine kompetentere Fachjury kann man ja kaum haben. Die Entscheidung findet, so jedenfalls meine Erfahrung, fair und ohne Streit in einer – jährlich – immer wieder tollen Truppe statt. Zusätzlich beeindruckt mich auch einfach die Kontinuität dieses Preises, er ist ein wahnsinnig zuverlässiges und wichtiges Medium in der Branche.

MQ: Ich glaube, was den INsider auszeichnet, ist: Es geht nicht um Projekte, es geht um Erfahrungen und den Ausdruck dieser. Und das Schöne dabei ist die Frage: Was ist Erfahrung in diesem Sinne? Es geht um Haltung – das ist der Begriff, der für mich den INsider prägt und wirklich auszeichnet. Man lernt im Rahmen dieses Awards jede*n Teilnehmer*in wirklich kennen und ich glaube, die Entscheidung, wer gewinnt, liegt nicht nur an dem 10-minütigen Vortrag seitens der Teilnehmenden, sondern sie ist durch das ganze Konstrukt der Veranstaltung geprägt. Es ist wirklich jedes Mal wieder unheimlich spannend: Es kommen um die zwölf Personen zusammen, die sich fast alle nicht kennen – und es braucht eigentlich nicht mal eine halbe Stunde und schon wird gemeinsam gelacht und man ist direkt zu einer harmonischen Gruppe geworden. Das liegt sicher an den Good Vibrations, die die Kolleg*innen untereinander haben, verbunden durch das gemeinsame Tun, aber ich finde, bei der Bewertung entscheiden dann immer Leidenschaft und Haltung.

Ich kann mich zum Beispiel noch genau an eine Gewinnerin erinnern, Claudia de Bruyn, die einfach nur ein Bild am Anfang gezeigt hat: Ein rotes Herz – und dann hat sie fünf Minuten über ihre Liebe zur Innenarchitektur gesprochen. Da bekomme ich immer noch Gänsehaut.

PD: An was ich mich auch noch gut erinnern kann: Ich bin bei meiner Präsentation 2015 komplett zerrissen worden – aber berechtigterweise. Und das war spannend, denn ich sehe das überhaupt nicht als Niederlage, sondern als lehrreichen Gewinn: Ich habe danach einiges überdacht in meiner Arbeit. Es war für mich wirklich sehr konstruktive Kritik. Das Feedback in der INsider-Runde ist auch nie anfeindend, man lernt unheimlich viel voneinander. Und besonders hilfreich ist hierfür auch einfach die Visualisierung, nicht nur die innere Haltung selbst. Die habe ich schließlich immer schon gehabt und vertraue auch auf diese: Aber wie bringe ich diese rüber und wie wird sie bei anderen wahrgenommen?

MQ: Das interessante ist ja der Außenblick, wir blicken oft inside out – von innen nach außen. Beim INsider betrachten die Teilnehmenden sich alle gegenseitig, es entsteht Reflektion. Und das alles mit einem hohen Maß an Respekt, das zeigt schon die Vorbereitung. Denn gerade gegenüber den versierten Kolleg*innen ist man ja vielleicht auch noch ein wenig aufgeregter…

PD: Ich denke, es ist auch einfach so: Jede*r von uns Innenarchitekt*innen präsentiert ja sein Bestes. Etwas, das mit sehr viel Herzblut geschaffen wurde. Und dann tut es immer weh, wenn dieses nicht so ankommt, wie man es sich wünscht. Das habe ich in vielen anderen Jurysitzungen auch schon kennengelernt – und manchmal sind es einfach nur Nuancen, die aber nichts über die Qualität aussagen. Das ist beim INsider Award anders, hier geht es um das Gesamtwerk und die Haltung und das finde ich sehr gut.

MQ: Mich persönlich beeindruckt jedes Mal auf’s Neue die Vielfalt, die der INsider Award hervorbringt. Ich bin dann immer ganz verliebt! Und sitze dort mit meinem Notizbüchlein und sammle all‘ die tollen Sätze, die in dieser Runde fallen. Ein echtes Potpourri der Vielfalt.

PD: Für mich macht auch einfach diese hohe Empathie das Berufsbild der Innenarchitekt*innen so besonders. Ansatz und Handeln sind immer nutzerorientiert geprägt: Was brauchen die Menschen, die sich in diesem Raum aufhalten? Man ist immer auf der Seite der Menschen und versucht das entsprechende Umfeld zu kreieren. Und dabei geht man sehr auf Tuchfühlung – egal, in welcher Sparte der Innenarchitektur du arbeitest.

Welches Projekt hat euch als letztes nachhaltig beeindruckt?

PD: Nun, natürlich – unser deutscher Innenarchitekturpreis. Das fiel mir als erstes ein und gleichzeitig dachte ich: ‚Das kannst du ja hier jetzt nicht sagen.‘ (lacht)

MQ: Na, das ist schon in Ordnung. Ippolito Fleitz hat das super gemacht, das gönnen wir den Kollegen von Object Carpet – überhaupt keine Frage.

PD: Für mich ist es so, ich sehe zu viel – und das ist alles so breit aufgestellt, dass es für jedes Bedürfnis herausragende Projekte gibt. Wir hatten ein Projekt in Berlin, bei welchem eine Wohnung auf mehreren Etagen umgestaltet werden sollte. Durch eine geschickte Raumaufteilung und moderne Stellwände sowie Einbauschränke wurde ein zusätzliches Zimmer geschaffen. Da denke ich dann wirklich: Cool, das beeindruckt mich! So konnte die Familie, die vorher dachte, sie müsste ausziehen – was ja in Berlin wirklich ein Albtraum ist – dort wohnen bleiben. So etwas bleibt mir dann schon im Gedächtnis, aber man kann nicht sagen, das eine Projekt sticht für immer heraus.

MQ: Mir kommen da gerade zwei Projekte in den Sinn: Zum einen das House of Communication in München, wo wir als Ege Carpets ja mittlerweile auch unsere IDX-Fläche bespielen. Das hat Katrin Jacobs wirklich sehr gut gemacht. All diese Gesten, die das Gebäude in sich trägt – alles ist Zeichen, alles hat Bedeutung – das hat richtig Kraft, unterstützt von der fantastischen Kunst, die das Haus beherbergt.

Das zweite Projekt ist die Loosbar von Adolf Loos in Wien – nicht aktuell und nicht per se ein Projekt der Innenarchitektur, aber eines, das mir nach einem persönlichen Besuch sehr im Gedächtnis geblieben ist. Geprägt von der Materialität und dem Spiel mit der Wahrnehmung bzw. der Täuschung ist diese kleine Bar einfach faszinierend. Man entdeckt – trotz der kleinen Fläche – immer wieder etwas Neues durch eine komplette Verspiegelung und das finde ich sehr beeindruckend. Eine ganz andere Form der Sinneswahrnehmung.

PD: Die Innenarchitektur ist der Kern der Architektur und Räume sind die dritte Haut des Menschen – also nah dran. Von daher ist es auch einfach eine sehr sensible Aufgabe, Räume zu schaffen. Eine unserer Kompetenzen ist zu wissen, wie das Handwerk agiert und das mit unseren Ideen zusammenzubringen. Und dementsprechend gibt es wirklich supertolle Innenräume – überall. Da kann man sich kaum entscheiden.

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 ... und hatten viel Spaß im Gespräch im neuen Bielefelder Büro von Ege Carpets.

Und was sind die größten Herausforderungen für Innenarchitekt*innen heutzutage? Welche Stellschrauben lassen sich hier in puncto Unterstützung und Austausch drehen?

PD: Was ist Herausforderung? Das wäre die Frage, die ich mir hier als erstes stellen würde. Wir Innenarchitekt*innen brennen für unseren Job und es macht Spaß, sich immer wieder Neuem zuzuwenden. Wir sind es gewohnt, nicht immer das gleiche zu machen – mit jedem Projekt bist du in einer neuen Welt. Mal ist es ein Einfamilienhaus, dann wieder ein Café oder ein Museum – das ist jedes Mal neu und kann natürlich auch jedes Mal als Herausforderung gesehen werden. Die Bandbreite war schon immer divers. Neu sind heutzutage andere Themenfelder, beispielsweise BIM oder KI oder der Umgang mit Nachhaltigkeitsaspekten, das bringt auch die Pflicht zu anderen Sehgewohnheiten für uns ALLE mit sich.

MQ: Grundsätzlich steht die Komplexität mehr im Vordergrund – aber das ist in vielen Berufen mittlerweile so, nicht nur in der Innenarchitektur. Man muss sich mit immer mehr Themen auseinandersetzen und diese bestenfalls als Chance und nicht als Risiko begreifen. Die Welt erfindet sich immer wieder neu, die Geschwindigkeit ist da.

Ich denke, dass das Thema „Integrales Bauen“ immer wichtiger wird – hier sollte man mehr Partizipierende kollaborativ an einen Tisch holen. Und als eine Art „Hauptmoderator“ sollte man zulassen, dass andere Impulse mitbringen und sich anschließend bemühen, diese in eine Gestalt zu bringen. Da kann vielleicht auch eine Aufgabe bei der Industrie liegen, hier Innenarchitekt*innen wirklich zu unterstützen. Als Industrie stecken wir immer tief in unseren fachlichen Themen, aber wir können auch helfen, zumindest an dieser Stelle die Komplexität etwas aufzulösen. Und ich glaube, das ist es auch, was sich im Verhältnis von Industrie und Innenarchitektur verändert hat: Früher gab es hier viel stärkere Grenzen, mittlerweile stehen die Zeichen auf Kollaboration.

Innenarchitektur für euch – in drei Worten.

PD: Interdisziplinär. Nutzerorientiert. Nachhaltig.

MQ: Für mich sind es vier Worte: Better Space. Better Life.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Written by Chiara Trenkamp:

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